Warum rechtfertigen wir uns eigentlich immer wieder?Immer wieder geraten wir in Situationen, in denen wir meinen, uns rechtfertigen zu müssen - und dann rechtfertigen wir uns. Und wenn wir uns bzw. unser Verhalten vor dem anderen rechtfertigen - also erklären, erläutern und begründen - dann fühlen wir uns dabei irgendwie schlecht und unwohl. Warum rechtfertigen wir uns eigentlich immer und immer wieder vor anderen Menschen?
Wir rechtfertigen uns, weil . . .
Bisher haben wir immer geglaubt, dass wir uns „wegen uns“ rechtfertigen. Wir haben geglaubt, dass „wir uns“ rechtfertigen. Wir haben gedacht, dass WIR uns gerade doof oder schlecht oder unwohl fühlen und dass WIR uns vom anderen verstanden fühlen wollen.
Doch so ist es überhaupt nicht.
Wir rechtfertigen uns NICHT WEGEN UNS - sondern wegen dem anderen.
Dies mag nun komisch klingen und das ist auch komisch - und doch scheint es tatsächlich anders zu sein als wir es bisher angenommen hatten.
Wir rechtfertigen uns wegen dem anderen
Wir rechtfertigen uns immer dann, wenn eine Situation entstanden ist, in der wir oder der andere sich nicht verstanden fühlen.
Wenn WIR uns nicht verstanden fühlen, dann ist dies das eine.
Doch wenn DER ANDERE sich nicht verstanden fühlt, dann geht uns dies sehr nahe - vor allem dann, wenn wir den anderen lieb haben.
Wenn DER ANDERE sich aufgrund unseres Verhaltens schlecht fühlt, dann fühlen WIR uns schlecht, weil DER ANDERE sich schlecht fühlt.
WIR fühlen uns schlecht, weil DER ANDERE sich schlecht fühlt
Und dann versuchen wir dem anderen unser Verhalten zu erklären, damit der/die andere unser Verhalten neu einschätzen, neu bewerten und besser verstehen kann - und damit der/die andere nicht mehr die negativen Gefühle fühlen muss, die er/sie ja jetzt im Moment noch fühlt.
Wir rechtfertigen uns nicht für uns - sondern für den anderen, damit der andere etwas versteht, was er/sie bisher nicht verstanden hatte und weswegen er/sie unser Verhalten nicht verstehen/nicht nachvollziehen konnte und weswegen er/sie sich dann schlecht fühlt.
Unser Wertesystem und das Wertesystem des anderen
WIR haben ein Wertesystem und unser Gegenüber hat auch ein Wertesystem. Und unsere Werte sowie die Werte unseres Gegenübers wurden im Zuge unserer Erziehung geprägt und angelegt und verinnerlicht.
Wenn Anna und Paul als Teenager ineinander verliebt sind und wenn Anna sich dann in einer Art und Weise verhält, sodass Paul sagt: „Das macht man aber nicht“, dann kommt Anna in die Verlegenheit, ihr Verhalten vor Paul zu rechtfertigen. Warum?
Nach der alten Sichtweise würden wir denken, dass Anna nicht damit klar kommt, wenn sie von Paul kritisiert wird. Doch so ist es nicht.
Anne ist verliebt und fühlt empathisch, wie Paul sich fühlt - und die Gefühle, die Paul gerade fühlt, fühlt/spürt Anna in sich selbst.
Anna fühlt, wie Paul gerade ein Problem hat. Paul hat gerade einen inneren Konflikt. Denn Paul hat gelernt, wie „man“ sich richtig und angemessen verhält und nun verhält sich Anna „anders“.
Der andere verhält sich anders
Paul würde es sich niemals erlauben, sich „anders“ zu verhalten als seine Eltern es ihm beigebracht haben. Und Anna nimmt sich nun einfach ganz frech die Freiheit heraus, sich doch „anders“ zu verhalten - weil Anna die Erziehungswerte von Pauls Eltern ja überhaupt nicht kennt.
Paul steht also zwischen den Stühlen.
Da sind auf der einen Seite die Werte und Erziehungsleitlinien und Glaubenssätze, die er unbewusst von seinen Eltern übernommen und verinnerlicht hat - und da ist auf der anderen Seite Anna mit ihrem Verhalten, das den Werten seiner Eltern entgegen ist.
Und Anna FÜHLT empathisch wie es Paul geht
Anna FÜHLT, wie Paul gerade ein Problem hat.
Anna FÜHLT IN SICH, wie es Paul schlecht geht.
Und weil Anna FÜHLT, wie es Paul geht, deswegen erklärt sie ihr Verhalten, deswegen rechtfertigt sie sich, deswegen erklärt und erläutert sie ihre Art und Weise - damit Paul verstehen und nachvollziehen und erkennen kann, dass auch eine andere Verhaltensweise als die, die er von seinen Eltern gelernt hat, in dieser Welt möglich und erlaubt ist.
Natürlich fühlt auch Anna sich nicht so toll, dass sie kritisiert wurde. Doch der Grund für den Impuls, sich zu rechtfertigen, ist NICHT, damit Anna sich selbst besser fühlt, sondern Anna hat empathisch die Gefühle von Paul aufgenommen und FÜHLT sie in sich und Anna rechtfertigt sich, damit Paul sie verstehen kann und damit es Paul dann durch dieses Verstehen nicht mehr so schlecht geht - damit es Paul möglichst schnell wieder besser geht.
Es ist einfach eine neue Sichtweise
Dass wir uns rechtfertigen, weil wir IN UNS FÜHLEN, wie es dem anderen schlecht geht, ist eine neue Sichtweise zum Thema „sich rechtfertigen“.
Wir können nun selbst in unserem Alltag mal schauen und prüfen, ob an dieser Sichtweise etwas dran sein könnte - denn dann würden wir uns aus Liebe und Mitgefühl dem anderen gegenüber erklären und rechtfertigen - und nicht „wegen uns“ - nicht aus Eigennutz und nicht, damit WIR uns besser fühlen.
Es geht uns um den anderen, damit der andere sich in unserer Gegenwart und wegen unseres Verhaltens nicht mehr so schlecht fühlen muss, sondern sich möglichst rasch wieder besser fühlen kann . . .
. . . und Verstehen kann hierbei hilfreich sein . . .
. . . Verstehen hilft, den eigenen Horizont zu erweitern . . .
Herzlichst
Dein
Björn Geitmann
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